„Sie haben zum Wintersemester 2020/21 für das
1. Fachsemester des zulassungsbeschränkten Studienganges eine Zulassung erhalten: Medizin, Staatsexamen“ … ein einfacher Satz, der meinen Traum zur Realität machte.
Im September 2020 erhielt ich die lang ersehnte Zusage für den Studiengang Humanmedizin an der Universität Leipzig.
Nach der kurzfristigen und stressigen Wohnungssuche wurde mir bewusst, wie zufrieden ich nicht nur mit dem Studienfach an sich, sondern auch mit dem neuen Wohnort Leipzig sein konnte. Von der einwohnerreichsten Stadt Sachsens sah ich zuvor nicht viel mehr als die Innenstadt. Doch sie hat deutlich mehr zu bieten: die alte Universitäts- und Messestadt zog nicht ohne Grund schon Nietzsche, Richard Wagner, Johann Sebastian Bach oder Goethes Akteure Faust und Mephisto an. Die Szenemetropole punktet vor allem mit der perfekten Mischung aus Kunst, Kultur, Parks und Historik; den Namen Hypezig somit total verdient.
Wohnung und Umgebung passen also schonmal. Jetzt fehlt nur noch ein guter Start in das erste Semester. Die Kommilitonen und das Unigelände kennenlernen. Jeder schwärmt doch immer so von der Ersti-Woche … aber diesmal heißt es wegen Corona wohl: verschoben auf unbestimmte Zeit.
Bis auf ein paar Treffen in Parks oder einer gemeinsamen abenteuerlichen Wanderung in die Sächsische Schweiz war es das dann auch schon. Aber zumindest hatte man so die Chance ein paar seiner Kommilitonen und Studenten aus älteren Semestern kennenzulernen. Wir als unwissende Erstis konnten nun erstmal all unsere Fragen loswerden.
Anfang November ging es dann mit den Studium los. Im Folgenden möchte ich ein paar Einblicke geben, welche Fächer Bestandteil des ersten Semesters an der Uni Leipzig sind und wie ich mit der zusätzlichen Herausforderung der Online-Lehre zurecht gekommen bin:
Über 300 Studierende wurden im Wintersemester 2020/21 ganz „feierlich“ immatrikuliert: in Jogginghose, Adiletten, wirren Haaren und grünem Tee vor dem Laptop … unvergesslich. Jeder Student wurde einer Kursgruppe mit vier weiteren Kommilitonen zugeordnet, die mir bisher nur als imaginäre Wesen in Form einer Matrikelnummer bekannt waren.
Was hat eigentlich unser Stundenplan zu bieten?
Montag:
8.15-9.00 Uhr: Anatomie Vorlesung
10.15-11.00 Uhr: Physik Praktikum
12.00-13.45 Uhr: Physik Vorlesung
15.15-17.00 Uhr: Biologie Vorlesung
17.00-17.45 Uhr: Konsultation Medizinische Terminologie
Dienstag:
8.00-9.00 Uhr: Anatomie Vorlesung
9.15-11.00 Uhr: Histologischer Kurs Anatomie
11.30-12.15 Uhr: Praktikum Chemie
15.45- 16.45 Uhr: Praktikum Medizinische Terminologie
Mittwoch:
7.45-8.30 Uhr: Physik Vorlesung
11.15-13.00 Uhr: Chemie Vorlesung
15.00-16.30 Uhr: Physik Praktikum 2
Donnerstag:
8.00-9.00 Uhr: Vorlesung Anatomie
9.15-11.00 Uhr: Histologischer Kurs Anatomie
13.00-18.30 Uhr: Praktikum Biologie (alle 2 Wochen)
Freitag:
8.00-9.00 Uhr: Anatomie Vorlesung
9.15-11.00 Uhr: Vorlesung Biologie
11.15-13.00 Uhr: Vorlesung Chemie
14.00-15.45 Uhr: Seminar Anatomie
Zum besseren Verständnis, was die einzelnen Fächer beinhalten, möchte ich sie kurz einzeln vorstellen:
Physik
Den Punkt für die am besten umgesetzte Online-Vorlesung bekommt meiner Meinung nach das Fach Physik. Während des gesamten Semesters hatte man die Möglichkeit, an der Live-Vorlesung teilzunehmen, die jedes mal mit reichlich Anschaulichkeit gestaltet wurde. Sei es ein James Bond Video Clip oder eine mit Wodka angetriebene Rakete, die quer durch den Hörsaal fliegt. Da hat sich sogar das verhältnismäßig frühe Aufstehen am Mittwochmorgen gelohnt.
Im Fach Physik werden Mechanik, Wärmelehre, Elektrizitätslehre und Optik behandelt. Neben den Vorlesungen muss man selbstständig Übungsaufgaben lösen, die man im Praktikum vergleicht.
Die Abschlussprüfungen bestehen aus zwei Multiple-Choice-Klausuren, Teil 1 Mitte Dezember und Teil 2 kurz vor Beginn des zweiten Semesters.
Chemie
Die größte Hürde im ersten Semester stellte für mich persönlich Chemie dar, was daran liegt, dass ich bereits ab der 11. Klasse das Fach abgewählt habe. Die Vorlesungen werden online bereit gestellt und man hat die Möglichkeit, sie sich unabhängig von der festgelegten Vorlesungszeit anzuschauen. Behandelt werden grundlegende chemische Begriffe, stöchiometrische Berechnungen, anorganische und organische Chemie. Vorlesungsbegleitend findet wöchentlich ein Seminar statt, zu dem man die Seminaraufgaben vorstellen muss. Die schriftliche Abschlussklausur mit MC- und Freitextteil findet vor Beginn des zweiten Semesters statt.
Biologie
Da das Fach Biologie schon in der Schulzeit zu meinen Lieblingsfächern gehörte, zählte es auch jetzt wieder zu meinen Favoriten. Wobei ich auch sagen muss, dass es viel Lerndisziplin erfordert. Vorgänge wie Mitose, Meiose, Replikation oder Translation kann man nicht nur auswendig lernen, sondern muss sie auch verstehen. In der Biologie geht es um Genetik, Zellbiologie, Ökologie und Mikroorganismen. Alle zwei Wochen findet auch hier ein fünfstündiges Praktikum statt, bei dem man meist mikroskopiert und zeichnet, um die gelernten Inhalte auch praktisch umzusetzen. Ein willkommener Ausgleich zu den sonstigen Veranstaltungen. Normalerweise finden hier auch Antestate statt, die bei uns wegen Corona wegfielen. Das Abschlusstestat findet Anfang Februar als MC-Klausur statt.
Terminologie
Terminologie bezeichnet die medizinische Fachsprache oder auch „Latein für Mediziner“. Viele haben zunächst Respekt vor diesem Fach, da nicht jeder Latein bereits in der Schule gelehrt bekam. Nichtsdestotrotz ist es auch ohne Vorkenntnisse machbar. Wenn man erst einmal die Deklination und Konjugation verstanden hat, ist es ein reines Auswendiglernen der Fachbegriffe. Dabei hilft beispielsweise das Erstellen von Anki-Karten oder die Leipziger Vokabelapp. Es ist unbedingt zu empfehlen, schon früh mit dem Lernen zu beginnen, um über 1000 Begriffe zu behalten. Die Klausur mit Freitextantworten fand Ende Januar statt.
Anatomie
„Die beschreibende Lehre vom Aufbau bzw. der Gestalt des menschlichen Körpers und seiner Gewebe sowie deren Entwicklung“. Das Fach hat auf den ersten Blick den meisten Bezug zur Humanmedizin. Normalerweise finden hier auch Seminare in Präsenz statt, die bei uns online geführt wurden. Allerdings macht es natürlich einen Unterschied, ob man beispielsweise den aus bis zu 30 Knochenteilen bestehenden Schädel auf einer Abbildung in 2D sieht oder anhand eines Präparats auch die einzelnen Schädelgruben im Gesamtbild erkunden kann. Jedoch hatten wir die Chance zumindest bei einigen Demo-Veranstaltungen Feuchtpräparate zu sehen und daran Nerven, Muskeln und Knochen aufsuchen zu können.
Mitte Dezember findet hier das erste „Knochentestat“ statt, welches sich auf die Knochenpunkte des menschlichen Skeletts bezieht. Die zweite mündliche Prüfung umfasst einen Überblick zu Knochen, Gelenken, Herz, Gefäßen, Nervensystem und Muskeln.
Histologie
Die Histologie (mikroskopische Anatomie) definiert sich als Wissenschaft von den Geweben des menschlichen Körpers.
Da wir nicht selbst am Mikroskop arbeiten konnten, nutzten wir ein Online-Tool, was natürlich ebenfalls einen erheblichen Unterschied zur Präsenzlehre ausmacht. Man untersucht verschiedene Gewebetypen, wie Muskel-, Binde-, Fett-, Nerven-, Knochen-, Knorpel- und Epithelgewebe. Auch hier ist das Abschlusstestat eine MC-Klausur, wobei man 15 Abbildungen zur Identifizierung von Geweben und 10 Fragen zu theoretischen Inhalten bekommt.
Fazit:
Generell bin ich nach dem ersten Semester immer noch total zufrieden mit meiner Studienwahl. Jedoch hat mich die Online-Lehre häufig an meine Grenzen gebracht und ich nach mindestens acht Stunden vor dem Bildschirm pro Tag dann auch genug hatte. Der Austausch und die Kommunikation zu anderen Kommilitonen fehlte. Mir fiel es schwer einzuschätzen, wie ich im Vergleich zu anderen Studenten im Stoff stehe und das bekannte Impostor-Syndrom (Hochstapler-Syndrom) machte sich bemerkbar. Die Praxis, welche das Medizinstudium ausmacht: Präparate anschauen, Mikroskopieren, im Hörsaal sitzen, in der Bibliothek lernen, mit anderen Studenten auf dem Unigelände quatschen, gemeinsam die Stadt kennenlernen… all das fehlte zum größten Teil. Die Universitäten können für die Situation nichts. Sie tun wirklich viel, um die Lage zu bewältigen. In Zukunft sollten wir daran arbeiten, das Lernen lebhafter zu machen. Umso mehr freue ich mich jedoch auf die kommenden Semester und hoffe, dann auch endlich mal im Präpariersaal stehen zu dürfen oder endlich einen Hörsaal von innen zu sehen. Einfach all die selbst verständlichen Dinge, die ich mir von einem Studium vorgestellt habe und dabei nicht das Gefühl zu haben, sich für einen Fernstudiengang entschieden zu haben.
Wir haben in der OE einen Discord Server aufgesetzt wo unser Studiengang sich connected, zsm lernt, Fragen stellt, quatsch macht. Habt ihr auch sowas? Damit lässt sich das Corona Studium echt aushalten
Davon muss ich mich selbst erstmal überzeugen 🤔 @tina
Ob Hypezig denn auch mit Hyperborn mithalten kann?🤨